Wann wird’s gefährlich?
„Ich bin gerade im Stress!“ Diesen Satz hören wir oft. Aber was passiert eigentlich in unserem Körper, wenn wir gestresst sind? Und welche Funktion erfüllt Stress? Gibt es auch guten Stress? Und wo verläuft die Grenze, an der er zu einer Belastung wird?
Vor Urzeiten mussten unsere Vorfahren außergewöhnliche körperliche oder psychische Belastungen meistern, um zu überleben. Wilde Tiere wurden gejagt und es galt, Wind und Wetter ohne warme Wohnung zu trotzen. Die Auseinandersetzung mit dem berühmten Säbelzahntiger wird hier oft angeführt. Unsere Ahnen hatten hierbei nur zwei Möglichkeiten: Angriff oder Flucht. In beiden Fällen wurde der Körper in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Und auch heute ist in Stressituationen der Ablauf im Körper gleich, auch wenn wir keinem Raubtier gegenüberstehen. Das Gehirn setzt innerhalb von Millisekunden Neurotransmitter (Botenstoffe der Nervenzellen) wie Acetylcholin frei. Der Blutfluss wird verstärkt in die Muskeln umgelenkt und die Hormone Adrenalin und Kortisol ausgeschüttet, um ein Maximum an Energie schnell verfügbar zu machen. Dadurch steigt der Blutdruck, das Herz schlägt schneller, die Pupillen weiten sich, die Atmung wird flacher und die Verdauung gedrosselt. Diese Stressantwort ist eine natürliche und notwendige Reaktion des Körpers auf Situationen, in denen unser Leben in Gefahr ist.
"Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass punktuelle Stressreaktionen den Körper zwar kurzfristig bis an seine Grenzen belasten, die Gesundheit aber langfristig fördern können. [...] Voraussetzung von positivem Stress ist allerdings, dass es sich um vorübergehende Belastungen handelt."
„Positiver“ Stress?
Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass punktuelle Stressreaktionen den Körper zwar kurzfristig bis an seine Grenzen belasten, die Gesundheit aber langfristig fördern können. Wer sich ihnen aussetzt, schläft besser, ist ausgeglichener und bleibt auch im Alter vitaler. Man spricht deshalb auch von positivem Stress oder Eustress. Voraussetzung von positivem Stress ist allerdings, dass es sich um vorübergehende Belastungen handelt, nach denen das Hormonsystem wieder heruntergefahren wird und zur Ruhe kommen kann. Auf den Energieaufbau muss aber zwingend eine Entladung folgen. Der Körper braucht das Signal, dass die Gefahr vorüber ist. Eine akute Stressantwort dauert nur etwa 15 Minuten an, denn die Reserven, die durch die Ausschüttung von Adrenalin angezapft werden und uns den enormen Energieschub geben, würden nicht länger reichen.
Psycho-sozialer Stress
Im Gegensatz zu unseren Vorfahren haben es heute viel Menschen nicht mit kurzfristigen Belastungen zu tun, sondern mit anhaltenden Stresssituationen – meist psychischer oder sozialer Natur. Bei diesem Dauerstress erhält der Körper eben nicht die ersehnte Entwarnung und kann nicht in den Entspannungsmodus gehen. Die Hormone, die unter Dauerstress ausgeschüttet werden, halten unser Immunsystem in permanenter Alarmbereitschaft, sodass es ziellos und fehlerhaft arbeitet. Dadurch sind wir anfälliger für Infektionen und auch Wunden heilen schlechter. Außerdem ist negativer Stress schlecht fürs Herz. Da wie oben beschrieben der Blutdruck steigt, werden die Blutgefäße labiler gegenüber schleichenden Entzündungen. Das kann zu einer Verkalkung der Arterien führen. Dauerstress gilt neben Rauchen und erhöhten Blutfettwerten als eine der Hauptursachen des Herzinfarkts. Aber auch andere Organe werden durch den Dauerstress stärker belastet – vor allem der Magen-Darm-Trakt. Vom Reizdarm bis zum Magengeschwür kommen Erkrankungen dieser Organe bei unter Dauerstress stehenden Menschen häufiger vor. Und auch unser Gehirn wird durch negativen Stress belastet. Unsere Kreativität und Produktivität bei der Arbeit nehmen ab.
Mehr Achtsamkeit für weniger Stress
Problematisch ist, dass diese Veränderungen schleichend vonstatten gehen. Dabei hat jeder Mensch ein anderes Stressempfinden. Ist der eine am Limit, dreht der andere erst richtig auf. Was wir brauchen, um gefordert, aber nicht überfordert zu sein, ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Gut auf sich selbst Acht zu geben, sich ausreichend Pausen zu gönnen und im hektischen Alltag mal innezuhalten und in sich hineinzuhorchen, könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein.
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