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Es kann jede(n) treffen! – Häusliche Gewalt und Stalking
Jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren wurde bereits einmal in ihrem Leben von ihrem Lebensgefährten oder Ex-Lebensgefährten misshandelt. Häusliche Gewalt ist sowohl körperlich, als auch seelisch besonders belastend, weil sie zu Hause stattfindet – an einem Ort, der eigentlich Schutz und Geborgenheit vermittelt und von einem Menschen ausgeht, dem man vertraut. Betroffen sind übrigens auch Männer.
„Gewalt hat viele Facetten. Sie ist nicht ausschließlich physisch, sondern kann unter anderem auch psychisch, ökonomisch oder strukturell sein“, berichtet Fachbereichsleiterin Sandra Bracht von der Fachberatungsstelle beim Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Münster. Dort werden seit über 20 Jahren Frauen – und seit Frühjahr 2022 auch Männer – bei häuslicher Gewalt und Stalking beraten. Im Bereich „Häusliche Gewalt“ nehmen die Zahlen seit sechs Jahren stetig zu. Für 2022 erfasste die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) in Nordrhein-Westfalen 34.000 Fälle. Durch die zunehmende öffentliche Debatte und Enttabuisierung wenden sich Frauen vermehrt an Beratungsstellen, aber die Dunkelziffer ist weiterhin hoch. Das gilt auch für misshandelte Männer, die sich bei häuslicher Gewalt noch seltener Hilfe holen – die Schamgrenze ist aufgrund der männlichen Sozialisation hoch. „Wir versuchen unser Beratungsangebot so niedrigschwellig wie möglich zu halten“, sagt Sandra Bracht. Deshalb geht die Fachberatungsstelle seit diesem Jahr auch in zwei Münsteraner Stadtteile, um Betroffenen den Zugang zu den Hilfeangeboten so leicht wie möglich zu machen. „Für Frauen bieten wir einmal im Monat ein Beratungsangebot in der Caritas-Beratungsstelle Nord in Kinderhaus und in der Caritas-Beratungsstelle Süd in Hiltrup an", so die Dipl.-Sozialpädagogin.
Gesamtgesellschaftliches Problem
Häusliche Gewalt zieht sich quer durch alle Schichten, unabhängig von kulturellen Hintergründen oder der Religionszugehörigkeit. Oft müssen sich Opfer – in der Mehrzahl Frauen – die Frage gefallen lassen: Warum gehst du nicht einfach? Aber eine Trennung ist bei finanzieller Abhängigkeit – und besonders, wenn Kinder involviert sind – nicht einfach. Dies betrifft häufig Frauen, die noch immer in puncto Einkommen durchschnittlich schlechter bezahlt werden als Männer. Ein strukturelles Problem, das in einer Partnerschaft Abhängigkeiten erzeugen kann. Aber auch ökonomisch unabhängige Frauen sind von häuslicher Gewalt betroffen. In der Beratungsstelle des SkF stehen den Betroffenen erfahrene und qualifizierte Beraterinnen zur Verfügung. Die kostenfreie und auf Wunsch anonyme Beratung unterstützt bei der Bewältigung der erlebten Gewalt. Bei einer akuten Bedrohung hat die Sicherung des persönlichen Schutzes Priorität „Wir haben zwei Frauen- und Kinderschutzhäuser an anonymer Adresse in Münster mit insgesamt 32 Plätzen für Frauen- und Kinder, die akut häusliche Gewalt erfahren und einen Zufluchtsort benötigen“, berichtet die erfahrene Beraterin. Auch für Männer gibt es in der Umgebung von Münster Schutzwohnungen“. Bevor Menschen die Fachberatungsstelle aufsuchen, gab es häufig zuvor einen Polizeieinsatz. Ein erster Schritt, den die Polizei anordnen kann, um akute häusliche Gewalt zu beenden, ist die sogenannte „Wohnungswegweisung“. Die Polizei – in der Regel die Streifenwagenbesatzung, die zu einem Einsatz gerufen wird – erteilt dem Täter ein befristetes Hausverbot, wenn die Gefahr besteht, dass es zu erneuter Gewalt kommt. „Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen“, sagt Sandra Bracht. „Wenn die Frauen es wünschen, geben die Beamten ihre Daten nach einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt an uns weiter und wir nehmen Kontakt auf.“
Krisentelefon rund um die Uhr:
Tel. 0251-13125000
Die kostenfreie Beratung ist – unabhängig, ob für Frauen oder Männer – persönlich, telefonisch oder online möglich.
Schutz und Perspektive für Frauen und Männer
Die Polizei kann den Täter der Wohnung für 10 Tage verweisen. Aber auch ohne eine solche polizeiliche „Wegweisung“ kann das Opfer einen gerichtlichen Antrag auf Wohnungszuweisung oder ein länger bestehendes Kontakt- und Näherungsverbot stellen – das gilt neben häuslicher Gewalt auch für Fälle von Stalking. Dabei spielt es keine Rolle, wem die Wohnung oder das Haus gehört und wer im Mietvertrag aufgeführt ist. Die Beratungsstelle in Münster hilft auch beim Umgang mit Behörden, Rechtsanwälten, Gerichten, anderen Beratungsstellen und Einrichtungen. Ein weiterer Aspekt umfasst die Entwicklung von Lebensperspektiven. Sind Kinder mitbetroffen, tauchen häufig Fragen zum Umgangsrecht auf – der Anspruch auf Umgang eines minderjährigen Kindes mit seinen Eltern und umgekehrt. Nachbarn, Lehrer, Freunde oder andere Personen, die Gewalt in einer Familie wahrnehmen, können sich ebenfalls dort erkundigen, wie sie sich verhalten können.
Fachberatungsstelle bei häuslicher Gewalt und Stalking für Frauen und Männer
Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Münster
Wolbecker Str. 16a, 48155 Münster, Tel. 0251-133223-0
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